Verbote, Zensur und logistische Probleme behindern die Pressearbeit
Die sozialdemokratische Presse war seit Kriegsbeginn in dreierlei Hinsicht heftigen Einschränkungen unterworfen. Zum einen forderten die logistischen Schwierigkeiten infolge des Kriegszustands und der Einberufung vieler Mitarbeiter ihren Tribut, zum anderen hatte der SPD-Parteivorstand dazu aufgerufen, kritische Berichte, die den Burgfrieden und somit den Fortbestand der ganzen Organisation gefährden könnten, zu unterlassen. Zuletzt sorgte seit der Verkündigung des Belagerungszustands im ganzen Kaiserreich trotz anderslautender Zusicherungen des Kanzlers eine strenge Zensur dafür, dass kritische Stellen entfernt oder ganze Blätter zeitweise nicht gedruckt wurden.
Friedrich Ebert notierte am 12. August 1914:
»Die Neue Zeit soll während des Krieges in Berlin gedruckt werden. Redaktion kann sich bei der schlechten Postverbindung mit [Dietz Verlag] kaum mehr verständigen. Die Zensur ist in Stuttgart auch schärfer wie hier.«[1]
Der Stuttgarter Redakteur Arthur Crispien schrieb wiederholt über die Zensurmaßnahmen in sein Tagebuch. Schon am 9. August hielt er fest:
»Eine Woche Krieg! – In Norddeutschland herrscht offenbar Präventiv-Zensur. Parteiblätter (Halle, Erfurt etc.) erscheinen mit weissen Stellen. Manchmal fehlt der ganze Leitartikel, oft Stellen aus Artikeln und Notizen. […] Die Blätter die der Präventiv-Zensur unterliegen, sind besser daran als wir im freien Württemberg. Jene riskieren einzelne Stellen, wir das ganze Blatt.«[2]
Präventiv-Zensur bedeutete, dass Artikel noch vor dem Setzen dem Zensor vorgelegt werden mussten. Zensurflecken wurden so vermieden und der Anschein einer freien Meinungsäußerung blieb nach außen hin gewahrt. Am 12. August notierte Crispien:
»Verschiedene Parteiblätter wurden vor einigen Tagen – trotz der wundervollen hurrapatriotischen Haltung der kaiserlich-deutschen Sozialdemokratie – verboten (so in Strassburg, Danzig, Görlitz). Die Verbote sind ausnahmslos nach kurzer Zeit wieder aufgehoben. Was geht da hinter den Kulissen vor?«[3]
Nur noch wenige sozialdemokratische Zeitungen versuchten weiterhin, gegen den Krieg anzuschreiben. So hatte etwa Clara Zetkin die Ausgabe der »Gleichheit« vom 5. August mit »Krieg dem Kriege!« überschrieben. In der Folgezeit wurde »Die Gleichheit« häufiger durch staatliche Zensur beeinträchtigt.[4] Auch Rosa Luxemburg demonstrierte ihr Unverständnis gegenüber der Bewilligung der Kriegskredite. Ebert hielt am 12. August fest:
»Rosa [Luxemburg] hat gestern Scheidemann, der sie in der Redaktion [des Vorwärts] begrüssen wollte, den Gruss verweigert. Grund: Stellung der Fraktion zu den Kriegskrediten.«[5]
Die meisten Blätter riefen ihre Leserschaft lediglich dazu auf, weiterhin treu Zeitung zu lesen.
Während es die Breslauer »Volkswacht«-Redaktion in den Monaten nach Kriegsausbruch schaffte, das Blatt weiterzuführen, erging es den Redakteuren der Danziger »Volkswacht« anders. Da sie in der Mehrzahl einberufen wurden und ihre Zeitung zeitweilig vom Militärbefehlshaber verboten wurde, erschienen ab dem 4. August nur noch vereinzelt Ausgaben.
[1] Kriegsnotizen des Reichspräsidenten Fritz Ebert, abgedr. in: Dieter K. Buse, Ebert and the Coming of World War I. A Month from his Diary, in: International Review of Social History 13, 1968, S. 430–448, hier: S. 446f.
[2] 1/ACAA000006, Nachlass Arthur Crispien, Archiv der sozialen Demokratie der Friedrich-Ebert-Stiftung.
[3] Ebd.
[4] Vgl. Heinz Niggemann, Emanzipation zwischen Sozialismus und Feminismus. Die sozialdemokratische Frauenbewegung im Kaiserreich, Wuppertal 1981, S.171f.
[5] Kriegsnotizen des Reichspräsidenten Fritz Ebert, S. 447.
Links zu den Quellen: »Volkswacht« (Westpreußen) vom 4. August 1914 und »Volkswacht« für Schlesien, Posen und die Nachbargebiete vom 12. August 1914.