Erster Mobilmachungstag im Deutschen Reich
Nach Bekanntgabe der Kriegserklärung wurden die Stimmen der Kriegsbefürworter lauter. Besonders in den Städten des Reiches verbreiteten sie eine regelrechte Freudenstimmung. In schwelgender Erinnerung an den Krieg 1870/71 erwartete man schnelle Siege.[1] Dieses Phänomen steigerte sich nach der Bewilligung der Kriegskredite zwei Tage später nochmals und erfasste auch Teile der Arbeiterbewegung. Die Loyalität gegenüber dem internationalen Sozialismus einerseits und dem nationalen Staat andererseits führte innerhalb der SPD, ja selbst innerhalb einzelner Personen, zu großen Spannungen. Während manche nun auf eine rasche Kriegshandlung und anschließenden Frieden hofften, hielten andere an ihrer unbedingten Ablehnung des Kriegs fest.[2] Die lange Zeit unter dem Schlagwort »Augusterlebnis« firmierende, massenhaft angenommene Kriegsbegeisterung in Europa muss heute differenzierter betrachtet werden. Zwar gab es nationalistische Jubelbekundungen für den Krieg, für die meisten Menschen war der Befehl zur Mobilmachung aber ein Schreckerlebnis.[3] Dennoch mussten sie ihm Folge leisten. Bei Ausbruch des Kriegs wurde rechnerisch jedes zweite SPD-Mitglied zum Militär eingezogen. Bis zum Jahr 1917 stieg diese Quote auf 75%.[4]
[1] Zu den gesellschaftlichen Ursachen der Kriegsbegeisterung vgl. etwa: Thomas Rohkrämer, Der Militarismus der »kleinen Leute«. Die Kriegervereine im Deutschen Kaiserreich 1871–1914 (= MGFA (Hrsg.), Beiträge zur Militärgeschichte, Bd. 29), München 1990, insb. S. 83–146 und 263–270.
[2] Vgl. Wolfgang Kruse, Krieg und nationale Integration. Eine Neuinterpretation des sozialdemokratischen Burgfriedensschlusses 1914/15, Essen 1994, S. 90–98.
[3] Vgl. Christopher Clark, Die Schlafwandler. Wie Europa in den Ersten Weltkrieg zog, München 2013, S. 707, insb. die in Anm. 208 angegebene Literatur.
[4] Vgl. Eintrag zum 2. August 1914, in: Franz Osterroth/Dieter Schuster, Chronik der deutschen Sozialdemokratie. Electronic ed., Bd. 1: Bis zum Ende des Ersten Weltkrieges, Bonn 2001.
Link zur Quelle: »Lübecker Volksbote« vom 3. August 1914.