Weitere Milliarden für den Krieg

Der Reichstag bewilligt erneut Kriegskredite

Zum ersten Mal nach der Sitzung vom 4. August 1914 trat am Nachmittag des 2. Dezember 1914 in Berlin der Reichstag zusammen, um über weitere fünf Milliarden Mark für den Krieg zu entscheiden. Noch am Vormittag hatte es in einer Fraktionssitzung der SPD heftige Auseinandersetzungen über den Wortlaut der Erklärung zur Zustimmung gegeben. Insbesondere Parteivorsitzender Hugo Haase bestand auf einen Verweis auf das Unrecht, welches mit der Verletzung der Neutralität Belgiens begangen worden war. Außerdem verwehrte er sich dagegen, die Erklärung selbst verlesen zu müssen. Erst nach Zureden Friedrich Eberts und Richard Fischers konnte er überzeugt werden.[1] Die anschließende Reichstagssitzung erlebte der entschiedene Gegner Haases, Eduard David, wie folgt:

»Ungeheurer Andrang auf den Tribünen. Habe meinem Bruder Theodor eine Karte verschafft. Der Eindruck der Worte [Johannes] Kaempfs zu [Ludwig] Franks Tode ist ein tiefer. Die Rede des Kanzlers ist sehr gut und wirksam. Die Erklärung Haases stößt auf eisige Stimmung im ganzen Hause; die vereinzelten Beifallsbezeugungen aus den Reihen unserer Radikalen machen einen jämmerlich dünnen Eindruck. Die bürgerliche Gegenerklärung [Dr. Peter Spahn, Zentrumspartei] wird mit mächtigem Beifall aufgenommen.«[2]

Bei der anschließenden Gesamtabstimmung erhoben sich alle Abgeordneten zur Bewilligung von ihren Plätzen – alle, bis auf einen. Das Protokoll verzeichnet: »Rufe: einstimmig! – Zurufe: Gegen eine Stimme!«[3] Karl Liebknecht war sitzen geblieben. In seinen Augen führte das Kaiserreich keinen Verteidigungs-, sondern einen auf Annexionen und Ausschaltung der Arbeiterbewegung zielenden imperialistischen Krieg. Bei seinen Kollegen stieß dieser Bruch der Fraktionsdisziplin auf Ablehnung, Teile der Parteibasis dagegen schrieben ihm daraufhin Solidaritätsbekundungen. In der Folgezeit wuchs die innerparteiliche Opposition weiter an. Ein Jahr später, im Dezember 1915, stimmten bereits 20 Abgeordnete gegen eine erneute Bewilligung.[4]

Karl Liebknecht gab noch in der Sitzung eine Erklärung zur Ablehnung der Kriegskredite zu Protokoll (linke Spalte), welche später als Flugblatt gedruckt wurde. Quelle: Archiv der sozialen Demokratie der Friedrich-Ebert-Stiftung, 6/FLBL005307.

Karl Liebknecht gab noch in der Sitzung eine Erklärung zur Ablehnung der Kriegskredite zu Protokoll (linke Spalte), welche später als Flugblatt gedruckt wurde. Quelle: Archiv der sozialen Demokratie der Friedrich-Ebert-Stiftung, 6/FLBL005307.

[1] Vgl. den Eintrag zum 2. Dezember 1914, in: Das Kriegstagebuch des Reichstagsabgeordneten Eduard David 1914 bis 1918, bearb. v. Susanne Miller (= Quellen zur Geschichte des Parlamentarismus und der politischen Parteien. Erste Reihe: Von der konstitutionellen Monarchie zur parlamentarischen Republik, hrsg. v. Werner Conze u. Erich Matthias, Bd. 4), Düsseldorf 1966, S. 78ff.
[2] Ebd., S. 80.
[3] Reichstagsprotokolle, 3. Sitzung, Mittwoch den 2. Dezember 1914, S. 22, URL: <http://www.reichstagsprotokolle.de/Blatt_k13_bsb00003402_00024.html>.
[4] Vgl. Wolfgang Kruse, Krieg und nationale Integration. Eine Neuinterpretation des sozialdemokratischen Burgfriedensschlusses 1914/15, Essen 1994, S. 182ff. Vgl. insgesamt auch den Eintrag zum 2. Dezember 1914, in: Franz Osterroth/Dieter Schuster, Chronik der deutschen Sozialdemokratie. Electronic ed., Bd. 1: Bis zum Ende des Ersten Weltkrieges, Bonn 2001.