Reichstagsabgeordneter der SPD wird in Lothringen erschossen
Am 5. August 1914 hatte sich der aus Baden stammende SPD-Reichstagsabgeordnete Ludwig Frank freiwillig zum Kriegsdienst gemeldet. Am 13. August war er eingezogen worden. Obwohl er sich intensiv für die deutsch-französische Verständigung eingesetzt hatte, zog er bald darauf gegen Frankreich ins Feld. Noch am 31. August bekundete er in einem Brief an Albert Südekum seine Motivation und betonte, »daß in diesem Krieg die Grundlagen für einen unübersehbaren Fortschritt gelegt werden«.[1] Dieser Fortschritt, so die Hoffnung insbesondere des rechten SPD-Flügels, könnte darin bestehen, endlich als Teil der Gesellschaft und als gleichberechtigte politische Macht anerkannt zu werden, um dann soziale Reformen und eine Änderung des Dreiklassenwahlrechts durchsetzen zu können. Frank wollte »für das Vaterland« in den Krieg ziehen und mit der gesamten Sozialdemokratie nach einem Sieg gestärkt aus diesem hervorgehen. Doch es kam anders: Am 3. September fiel Frank in seinem ersten Gefecht bei Nossoncourt (Lothringen) durch einen Kopfschuss.[2] Philipp Scheidemann hielt sein Bedauern über den Verlust im Nachhinein fest:
»Am 31. August ging er von Mannheim aus nach Frankreich, vier Tage später fiel er schon – ein Kopfschuß hatte das kostbare Leben eines guten Patrioten beendet und die Sozialdemokratische Partei um einen ihrer Besten beraubt.«[3]
Eduard David notierte am 7. September 1914:
»Ludwig Frank gefallen! Das ist ein grausames Schicksal und ein sehr schwerer Verlust für die innere Entwicklung der Partei. […] Man hat ihn schon begraben; dieser Geist, dieser Wille, dieser Mann ist ausgetilgt durch eine blödsinnige Kugel, wie ein Dutzendmensch. Jaurès und Frank in Basel! Und jetzt beide Friedensarbeiter durch den Krieg vernichtet in der Fülle ihrer Kraft und ihres idealen Wollens. Es ist entsetzlich!«[4]
Franks gewaltsames Ableben wurde in der Bevölkerung, aber auch von der Parteipresse als Heldentod mystifiziert. Mehr noch als die Zustimmung der Reichstagsfraktion zu den Kriegskrediten schien sein Tod die jahrelang erhobenen Vorwürfe einer sozialdemokratischen Reichsfeindschaft zu widerlegen.[5]
[1] Vgl. Wolfgang Kruse, Krieg und nationale Integration. Eine Neuinterpretation des sozialdemokratischen Burgfriedensschlusses 1914/15, Essen 1994, S. 113. Kruse zitiert aus dem Buch Ludwig Frank, Aufsätze, Reden und Briefe, hrsg. v. Hedwig Wachenheim, Berlin 1924, S. 359. Vgl. insg. auch den Eintrag vom 3. September 1914, in: Franz Osterroth/Dieter Schuster, Chronik der deutschen Sozialdemokratie. Electronic ed., Bd. 1: Bis zum Ende des Ersten Weltkrieges, Bonn 2001.
[2] Vgl. Wolfram Wette, Gustav Noske. Eine politische Biographie, Düsseldorf 1987, S. 155f.
[3] Philipp Scheidemann, Memoiren eines Sozialdemokraten, Bd. 1, Dresden 1928, S. 259.
[4] Das Kriegstagebuch des Reichstagsabgeordneten Eduard David 1914 bis 1918, bearb. v. Susanne Miller (= Quellen zur Geschichte des Parlamentarismus und der politischen Parteien. Erste Reihe: Von der konstitutionellen Monarchie zur parlamentarischen Republik, hrsg. v. Werner Conze u. Erich Matthias, Bd. 4), Düsseldorf 1966, S. 37.
[5] Vgl. Kruse, Krieg und nationale Integration, S. 113.
Eduard Davids Nachruf auf Ludwig Frank: Eduard David, Ludwig Frank ist Tod, in: Sozialistische Monatshefte, 1914, H. 17, S. 1061–1062.