Gustav Noske und Adolph Köster treffen auf belgische Genossen
Als Gustav Noske und Adolph Köster am 23. September 1914 durch Brüssel gingen, bekamen sie mit, wie sich die Menschen auf den Straßen Bilder der zerstörten Stadt Löwen zeigten. Sie beschlossen, selbst dort hinzufahren. Nachmittags besichtigten sie die Brüsseler Kathedrale und besuchten das Maison du Peuple (Volkshaus), in dem ein Lazarett untergebracht war. Dort trafen sie auf belgische Sozialisten. Noske notierte:
»Über drei Stunden Debatte mit Genossen, besonders Vandersmits, der mich von Chemnitz kennt, wo er belgischer Vertreter. Wir begegnen absoluter Verständnislosigkeit für deutsche Haltung. Deutsche Sozialdemokraten schlechte Internationalisten nach ihrer Meinung. Glauben tollste Schauergeschichten über deutsche Soldaten. Offiziere schon angeblich acht Tage vorher gesagt, wollten Stadt verbrennen. Erörterungen über die Lage der Brüsseler Arbeiter. Es fehlen Kohlen und Mehl. Zwei Mann wollen erst mit zur Verwaltung gehen. Bekommen dann patriotische Bedenken. Redeten ja auch fortgesetzt von ihrer Ehrenpflicht wegen Neutralität gegen Deutschland zu kämpfen. Wir versprechen uns für Freigabe von Kohlen – und Mehltransporten zu verwenden. Vandersmit hält uns für Soldaten.«[1]
Im Gespräch erfuhren Noske und Köster auch, dass Karl Liebknecht vor ihnen im Maison de Peuple gewesen wäre, in Einzelheiten über die Vorgänge in der SPD-Fraktion Auskunft gegeben habe und auf »mehr oder weniger romantische Art außer Landes gebracht worden sei«.[2] Am nächsten Tag fuhren beide nach Löwen, um sich selbst ein Bild der Zerstörung zu machen. Große Teile der Stadt und zahlreiche Zivilisten waren dort einem der schlimmsten Kriegsverbrechen des Ersten Weltkriegs zum Opfer gefallen. Während die Außenstadt fast unversehrt war, machten die Ruinen der Innenstadt auf die beiden einen »fürchterlichen« Eindruck.[3] Ihr in vielen sozialdemokratischen Zeitungen abgedruckter Bericht zur »Wahrheit über Löwen« schönte nicht nur das Verhältnis zur belgischen Arbeiterbewegung, sondern brachte deutlich Noskes Überzeugung zum Ausdruck, bei den Vorwürfen gegen deutsche Soldaten handele es sich um »Schauergeschichten«:
[1] Eintrag vom 23. September 1914, Gustav Noske, Kriegstagebuch 1914, masch. Abschrift, Nachlass Gustav Noske, Archiv der sozialen Demokratie der Friedrich-Ebert-Stiftung. Vgl. dazu auch: Wolfram Wette, Gustav Noske. Eine politische Biographie, Düsseldorf 1987, S. 158f.
[2] Einträge vom 24. September 1914, Noske, Kriegstagebuch 1914.
[3] Ebd.
Links zu den Quellen: »Lübecker Volksbote« vom 1. Oktober 1914 und vom 5. Oktober 1914.