Karl Kautsky zweifelt an der Friedenswirkung der Internationale
Am 27. November 1914 veröffentlichte Karl Kautsky in der »Neuen Zeit« einen Aufsatz, in dem er den Bemühungen der Parteilinken, die Internationale gegen den Krieg zu mobilisieren, ein grundsätzliches Argument entgegenstellte: Die Internationale sei im Wesentlichen ein Friedensinstrument. Nun herrsche aber Krieg, was aus ihr ein unwirksames Werkzeug mache. Trotzdem gelte es, ihren Wert für zukünftige Friedenszeiten hochzuhalten.[1] Seine Schlussfolgerungen untermauerte er mit einer historischen Betrachtung der Differenzen und Übereinstimmungen innerhalb der Sozialdemokratie in Konfliktzeiten. Damit traf er den linken Parteiflügel an empfindlicher Stelle – schließlich beruhten dessen Konzeptionen durchgängig auf internationaler Verständigung. Rosa Luxemburg verurteilte seine These scharf. Im April 1915 erschien die erste Ausgabe der Zeitschrift »Die Internationale«, in der die inzwischen inhaftierte Kriegsgegnerin mit den Aussagen Kautskys abrechnete. In bitterironischem Ton formulierte sie Kautskys »Korrektur« der Botschaft des Kommunistischen Manifests: »Proletarier aller Länder, vereinigt euch im Frieden, und schneidet euch die Gurgeln ab im Kriege!«[2] Der Wiederaufbau der Internationale stand für sie an erster Stelle.
[1] Karl Kautsky, Die Internationalität und der Krieg, Berlin 1915, S. 37f. Vgl. dazu auch den Eintrag zum 27. November 1914, in: Franz Osterroth/Dieter Schuster, Chronik der deutschen Sozialdemokratie. Electronic ed., Bd. 1: Bis zum Ende des Ersten Weltkrieges, Bonn 2001.
[2] Rosa Luxemburg, Der Wiederaufbau der Internationale, in: dies., Gesammelte Werke, Bd. 4, Berlin 2000, S. 20–32. Vgl. auch Friedhelm Boll, Frieden ohne Revolution? Friedensstrategien der deutschen Sozialdemokratie vom Erfurter Programm 1891 bis zur Revolution 1918, Bonn 1980, S. 144.
Kautskys Aufsatz erschien 1915 nochmals als Broschüre. Die Staatsbibliothek zu Berlin hat sie digitalisiert: Karl Kautsky, Die Internationalität und der Krieg, Berlin 1915.