»Ein Schreckensurteil gegen eine Friedensrede«

Strafkammer in Frankfurt am Main verurteilt Rosa Luxemburg zu einem Jahr Gefängnis

Ausschnitt aus der »Volksstimme« vom 22. Februar 1914.

Ausschnitt aus der »Volksstimme« vom 22. Februar 1914.

Rosa Luxemburg, Wortführerin des linken Parteiflügels der SPD, warnte in ihren Reden schon 1913 vor der Gefahr eines Weltkriegs und kritisierte den wachsenden Militarismus im Kaiserreich. Anfang 1914 wurde sie angeklagt, weil sie bei zwei Veranstaltungen in Bockenheim und Fechenheim im September 1913 öffentlich zum Kampf gegen die Kriegsgefahr aufgerufen und an alle Arbeiter appelliert hatte, im Falle eines Kriegs nicht auf ihre französischen Brüder zu schießen. Rosa Luxemburg wurde von der Strafkammer Frankfurt am Main wegen »Aufforderung zum Ungehorsam gegen behördliche Anordnungen und Befehle« zu einem Jahr Gefängnis verurteilt. Trotz ihrer erfahrenen Anwälte Paul Levi und Kurt Rosenfeld ließ sie es sich nicht nehmen, auch selbst eine flammende Verteidigungsrede zu halten. Hierin verdeutlichte sie, dass über einen Krieg keineswegs die Obrigkeit, sondern die Menge der werktätigen Bevölkerung zu entscheiden habe. Der Annahme des Staatsanwalts, dass Fluchtgefahr herrsche, entgegnete sie: »Ein Sozialdemokrat flieht nicht. Er steht zu seinen Taten und lacht Ihrer Strafen. Und nun verurteilen Sie mich!«[1] Luxemburgs Verteidigungsrede wurde unmittelbar nach dem Prozess mehrfach publiziert. Innerhalb der Arbeiterschaft erhielt sie nach der Verurteilung viel Zuspruch. So fanden sich im Februar und März in mehreren deutschen Städten Menschen zusammen, um gegen das Urteil zu protestieren. Zum Haftantritt kam es erst ein Jahr später, im Februar 1915.

Bildausschnitt: Rosa Luxemburg mit ihrem Anwalt und Vertrauten Paul Levi auf dem Weg zum Prozess. Fotograf: Alfred Grohs, Berlin. Rechteinhaber nicht ermittelbar.

Bildausschnitt: Rosa Luxemburg mit ihrem Anwalt und Vertrauten Paul Levi. Fotograf: Alfred Grohs, Berlin. Quelle: Archiv der sozialen Demokratie der Friedrich-Ebert-Stiftung.

Link zur Quelle: »Volksstimme« vom 22. Februar 1914.

[1] Rosa Luxemburg, Reden, hrsg. v. Günter Radczun, Leipzig 1976, Kap. 47, digitalisiert von Projekt Gutenberg-DE.

4 Comments
    • Rosa Luxemburg wurde am 15. Januar 1919 von rechtskonservativen Freikorps-Soldaten ermordet. In diesem Blog wird der Alltag der deutschen Arbeiterbewegung des Jahres 1914 durch Quellen abgebildet. Wir freuen uns über Kommentare und Meinungen, allerdings sollten diese zeitlich passend und auch begründet sein.

  1. Hallo,

    ich habe eine Frage zu dem gezeigten Bildausschnitt mit Rosa Luxemburg und Paul Levi. Haben Sie auch das gesamte Bild Luxemburgs langjährigen Anwalt Kurt Rosenfeld? Warum nur der Ausschnitt?

    Besten Dank
    Tjorben

    • Hallo! Wir haben nur den Bildausschnitt. Er stammt aus dem Nachlass von Paul Levi (6/FOTA147082).

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