Gegen Militarismus und Wettrüsten

SPD-Reichstagsfraktion wählt Vertreter für den X. Internationalen Sozialistenkongress in Wien

Deckblatt der Broschüre zum X. Internationalen Sozialistenkongress in Wien 1914, Wien [1914]. Quelle: Archiv der sozialen Demokratie der Friedrich-Ebert-Stiftung.

Deckblatt der Broschüre zum X. Internationalen Sozialistenkongress in Wien 1914, Wien [1914]. Quelle: Archiv der sozialen Demokratie der Friedrich-Ebert-Stiftung.

In ihrer Sitzung am 13. Mai 1914 wählte die SPD-Reichstagsfraktion vier Vertreter für den X. Internationalen Sozialistenkongress. Dieser sollte vom 23. bis 29. August in Wien stattfinden. Gewählt wurden: Wilhelm Bock, Eduard David, [verm. Richard] Fischer und Georg Ledebour; als Stellvertreter: Adolf Hofrichter, Heinrich Hüttmann und Eduard Bernstein.[1] Die Abgesandten wollten nicht nur ein Zeichen der internationalen Arbeiterverbrüderung setzen, sondern ganz konkret über Möglichkeiten beraten, wie ein künftiger Krieg verhindert werden könne. Hugo Haase, neben Friedrich Ebert Parteivorsitzender der SPD, forderte in seinem vorbereiteten Referat die Begrenzung von Rüstungsanstrengungen, die Umwandlung stehender Heere in Volksheere für den Verteidigungsfall und nicht zuletzt Schiedsgerichte, die über Streitigkeiten zwischen den Völkern entscheiden sollten.[2] Im Angesicht der Kriegsgefahr wurde noch im Juli 1914 ein Ortswechsel erwogen, obwohl schon alles für den Kongress vorbereitet war. Als der Erste Weltkrieg dann schließlich ausbrach, fiel der geplante Kongress gänzlich aus.

[1] Vgl. Die Reichstagsfraktion der deutschen Sozialdemokratie 1898 bis 1918. Erster Teil, bearb. v. Erich Matthias u. Eberhard Pikart (= Quellen zur Geschichte des Parlamentarismus und der politischen Parteien, hrsg. v. Werner Conze u. Erich Matthias, Bd. 3/I), Düsseldorf 1966, S. 317.
[2] Vgl. Hugo Haase, Grundzüge für das Referat und die Resolution über Imperialismus und Schiedsgerichte, [Brüssel 1914].

Links zu den Quellen: Broschüre zum X. Internationalen Sozialistenkongress in Wien 1914, Wien [1914] und Bericht des Partei-Vorstandes der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands an den Internationalen Sozialisten-Kongreß in Wien (1914) über die Tätigkeit der Partei seit dem Kopenhagener Kongreß / Sozialdemokratische Partei Deutschlands. Berlin 1914.

Mehr zum geplanten Kongress: Gerd Callesen, Der X. Internationale Sozialistische Kongress in Wien.

Reichstagsdebatte zum Haushaltsetat 1914

Karl Liebknecht kritisiert die deutsche Rüstungsindustrie als »Weltversorger mit Kriegsmaterial«

Schon vor der Beratung im Parlament machten im Frühjahr 1914 Gerüchte über eine neue Militärvorlage die Runde. Reichskanzler Theobald von Bethmann Hollweg hatte das zunächst dementiert. Titelblatt des »Wahren Jacobs« vom 4. April 1914, Nr. 723, S. 8281.

Schon vor der Beratung im Parlament machten im Frühjahr 1914 Gerüchte über eine neue Militärvorlage die Runde. Reichskanzler Theobald von Bethmann Hollweg hatte das zunächst dementiert. Titelblatt des »Wahren Jacobs« vom 4. April 1914, Nr. 723, S. 8281.

In der zweiten Beratung für den Gesetzesentwurf zum Haushaltsetat 1914 am 11. Mai 1914 griff der SPD-Abgeordnete Karl Liebknecht das Vorhaben, den schon 1913 massiv aufgestockten Militäretat erneut zu erhöhen, scharf an. Zum Ärger der konservativen Abgeordneten verwies er in seinem Redebeitrag auf die engen Verflechtungen zwischen Rüstungsunternehmen, Militär und Regierung und machte eine durch Bestechung »beginnende Kernfäule« im Kriegsministerium und der Marineverwaltung aus.[1] Zudem prangerte er die international agierende Rüstungsindustrie als »Teufelstrust« an, insbesondere die Verflechtungen des Krupp-Konzerns: »Wir stehen hier vor einer Kanoneninternationale in Reinkultur.«[2] Im Weiteren kritisierte er die führende Rolle Deutschlands als Waffenexporteur und brachte zahlreiche Hinweise auf Korruption und Schmiergeldzahlungen in die Debatte ein. Erbost verteidigte der mit der Aufrüstung betraute Kriegsminister, Erich von Falkenhayn, im Anschluss die namentlich genannten Rüstungsunternehmen und seine Beamten.

Rüstungsalarm 1914. Karikatur aus »Der Wahre Jacob« vom 4. April 1914, Nr. 723, S. 8283.

Rüstungsalarm 1914. Karikatur aus »Der Wahre Jacob« vom 4. April 1914, Nr. 723, S. 8283.

[1] Reichstagsprotokolle, 254. Sitzung, Montag den 11. Mai 1914, S. 8706, URL: <http://www.reichstagsprotokolle.de/Blatt_k13_bsb00003391_00156.html>.
[2] Ebd., S. 8699ff.

Streik im Speditionsgewerbe

Fuhrleute wollen 11 statt 15 oder 16 Stunden am Tag arbeiten und eine gerechtere Entlohnung

Mitteilung des »Lübecker Volksboten« vom 7. Mai 1914.

Mitteilung des »Lübecker Volksboten« vom 7. Mai 1914.

Am 7. Mai 1914 folgten die Dortmunder Kutscher und Fuhrleute dem Beispiel ihrer Hamburger Kollegen und legten die Arbeit nieder. Arbeitskämpfe waren im Frühjahr 1914 im Deutschen Reich an der Tagesordnung, wobei es starke regionale und strukturelle Unterschiede gab: Sie wurden in erster Linie in den Städten ausgefochten, und vornehmlich dort, wo viele in Freien Gewerkschaften organisiert waren.[1] So konnten in vielen Gewerben und Gewerken bessere Arbeitszeiten, Lohnuntergrenzen und Freizeitregelungen durchgesetzt werden. Das Wort »Kampf« musste hier vielerorts wörtlich genommen werden. Durch die Einschränkungen des Koalitionsrechts und die arbeitgeberfreundliche Politik der Obrigkeit konnten Forderungen nur in sehr kleinen Schritten und durch oftmals wochenlangen Lohnverzicht errungen werden. Zudem waren Streikende stets in der Gefahr, durch ›Streikbrecher‹ ersetzt oder von der Polizei in Gewahrsam genommen zu werden. Wie sehr der Staat die Interessen der Unternehmer vertrat, zeigt das Beispiel der Dortmunder Kutscher: Neben jedem Fuhrmann der Müllabfuhr und der Speditionsfirmen nahm während des Streiks ein Polizeibeamter platz, um diesen und vor allem die Ausführung seiner Arbeit zu schützen.[2]

Zwei Männer mit Kutsche um 1914. Rechteinhaber nicht ermittelbar.

Zwei Männer mit Kutsche um 1914. Quelle: Archiv der sozialen Demokratie der Friedrich-Ebert-Stiftung.

Streikbrecher gesucht. Appell des »Lübecker Volksboten« vom 6. Mai 1914, den Hamburger Arbeitskampf nicht zu behindern.

Streikbrecher gesucht. Appell des »Lübecker Volksboten« vom 6. Mai 1914, den Hamburger Arbeitskampf nicht zu behindern.

[1] Vgl. Friedhelm Boll, Arbeitskampf und Region. Arbeitskämpfe, Tarifverträge und Streikwellen im regionalen Vergleich 1871–1914, in: Gerhard A. Ritter (Hrsg.), Der Aufstieg der deutschen Arbeiterbewegung. Sozialdemokratie und Freie Gewerkschaften im Parteiensystem und Sozialmilieu des Kaiserreiches, München 1990, S. 379–414, hier insb.: S. 400.

[2] Vgl. »Lübecker Volksbote« vom 8. Mai 1914.

Links zu den Quellen: »Lübecker Volksbote« vom 6. Mai 1914 und vom 7. Mai 1914.

»Umsonst ist der Tod«

Arbeiter erhält Rechnung für die Beerdigung seiner Frau

Abdruck der Beerdigungsrechnung und Kommentar im »Lübecker Volksboten« vom 4. Mai 1914.

Abdruck der Beerdigungsrechnung und Kommentar im »Lübecker Volksboten« vom 4. Mai 1914.

Die Arbeit im Bergbau, in der Eisen- und Stahlindustrie und in den Fabriken des Kaiserreichs barg unzählige Gefahren. Nicht selten wurde seitens der Unternehmer die Arbeitssicherheit zugunsten der Gewinnmaximierung vernachlässigt. Maßnahmen und Einrichtungen zur Unfallverhütung wurden ab 1890/91 durch staatliche Fabrikinspektoren und die Gewerbeaufsicht kontrolliert. Dabei wurden reichsweit zahlreiche Gesetzesverstöße der Unternehmen festgestellt, diese jedoch seitens der Gerichte nur milde bestraft.[1] Wie das Beispiel aus Ebstorf zeigt, konnten sich allein die Kosten der Beerdigungsfeier schnell auf mehr als den halben Monatslohn eines Arbeiters belaufen. Zum Schmerz über den Verlust der Angehörigen kamen so auch noch Geldforderungen in oftmals existenzgefährdender Höhe hinzu.

Illustration einer Beerdigung eines Arbeiters: »Das Opfer der Maschine«. Rechteinhaber nicht ermittelbar.

Illustration einer Beerdigung eines Arbeiters: »Das Opfer der Maschine«. Quelle: Archiv der sozialen Demokratie der Friedrich-Ebert-Stiftung.

[1] Tobias Bremkens, Arbeitsschutz im Kaiserreich. Sozialpolitik zwischen Staat und Unternehmen um 1900, Marburg 2008, S. 107 und 113.

Link zur Quelle: »Lübecker Volksbote« vom 4. Mai 1914.

Maifeier 1914

Jubelfeier für Frieden, Arbeiterverbrüderung und Arbeiterrechte findet massenhaft Anklang

Plakat zur Maifeier 1914. Quelle: Archiv der sozialen Demokratie der Friedrich-Ebert-Stiftung.

Plakat zur Maifeier 1914. Quelle: Archiv der sozialen Demokratie der Friedrich-Ebert-Stiftung.

Traditionell feierten Arbeiterbewegung und Sozialdemokratie den 1. Mai als Weltfeiertag der Arbeit. Wie in den Jahren zuvor waren auch 1914 die Forderung nach dem Achtstundentag, die Mahnung an den Weltfrieden und das Verdeutlichen des internationalen Charakters der Arbeiterschaft die zentralen Themen. Mit roten Nelken im Knopfloch und roten Halstüchern trug man sein Klassenbewusstsein zur Schau, obwohl das mancherorts im Vorfeld durch die Polizei untersagt worden war. In den Städten des Kaiserreichs versammelten sich Tausende Arbeiterinnen und Arbeiter, um mit Fahnen und Musik gemeinsam durch die Straßen zu laufen. Die Umzüge waren bis ins kleinste Detail organisiert, was Verkehrsprobleme und somit ein Eingreifen der Ordnungsmacht verhindern sollte. Anschließend traf man sich in Lokalen, Sälen und anderen Versammlungsorten, um Vorträge zu hören. Begleitet wurde die Feier durch ein buntes Unterhaltungsangebot mit Spielen, Vorführungen, Speisen und Getränken. Ohne es zu wissen, beging die Arbeiterbewegung 1914 ihren vorerst letzten großen Maifeiertag – die Mahnung an den Völkerfrieden sollte bald traurige Aktualität erlangen.

Aufruf zur Maifeier 1914 im »Lübecker Volksboten« vom 23. April 1914.

Aufruf zur Maifeier 1914 im »Lübecker Volksboten« vom 23. April 1914.

Der Achtstundentag war seit Beginn der Maifeiern eine zentrale Forderung der Arbeiterschaft. Postkarte zum 1. Mai 1914. Quelle: Archiv der sozialen Demokratie der Friedrich-Ebert-Stiftung.

Der Achtstundentag war seit Beginn der Maifeiern eine zentrale Forderung der Arbeiterschaft. Postkarte zum 1. Mai 1914. Quelle: Archiv der sozialen Demokratie der Friedrich-Ebert-Stiftung.

Link zur Quelle: »Lübecker Volksbote« vom 23. April 1914.

Mehr zum 1. Mai: Erinnerungsorte der Sozialdemokratie.

Die »Rote Prinzessin«

Pauline Willim, geb. Herzogin von Württemberg, stirbt in Breslau

Traueranzeigen in der »Volkswacht« für Schlesien, Posen und die Nachbargebiete vom 24. April 1914.

Traueranzeigen in der »Volkswacht« für Schlesien, Posen und die Nachbargebiete vom 24. April 1914.

Fast die Hälfte ihres Lebens hatte sich die aus dem Königshaus Württemberg stammende Herzogin Pauline den Interessen der Arbeiterinnen und Arbeiter verschrieben. Wegen ihrer Hochzeit mit dem bürgerlichen Arzt Dr. Melchior Willim im Jahr 1880 verzichtete sie, dem Drängen ihrer Familie nachgebend, auf Namen, Stand und Titel. Ihr Engagement für Not leidende Arbeiterfamilien und als Mitglied des Sozialdemokratischen Vereins für Breslau Ost und West brachten ihr bald den Spitznamen »Rote Prinzessin« ein. Trotz oder auch wegen ihres ungewohnten Wesens hatte sie viele Bewunderer. Der Trauerzug dauerte eine halbe Stunde und wurde von den sozialdemokratischen Frauen und der Breslauer Arbeiterschaft durch Spaliere der Anteil nehmenden Bevölkerung geführt. Im Vorfeld hatte die Polizei eine Beschlagnahmung roter Kranzschleifen angedroht. Dem Wunsch der Angehörigen, auf diese zu verzichten, um unnötigen Tumult zu vermeiden, wurde Rechnung getragen. Den Sarg zierte eine schwarz-rote Schleife, die Farben des Königshauses.[1]22.4. Die Rote Prinzessin_1_Luebecker Volksbote 25.4.1914_Sozialdemokratie1914

Meldung des »Lübecker Volksboten« vom 25. April 1914 zum Tod von Pauline Willim.

Meldung des »Lübecker Volksboten« vom 25. April 1914 zum Tod von Pauline Willim.

[1] Vgl. Bericht zur Beerdigung im »Lübecker Volksboten« vom 28. April 1914.

Links zu den Quellen: Nachruf und Traueranzeigen in der »Volkswacht« für Schlesien, Posen und die Nachbargebiete vom 24. April 1914 und »Lübecker Volksbote« vom 25. April 1914.

Fotografie der »Roten Prinzessin« mit Kind: Hauptstaatsarchiv Stuttgart.