Deutsch-französische Verständigungskonferenz in Basel

Parlamentarier wollen enger zur Stärkung des Friedenswillens zusammenarbeiten

Der badische SPD-Abgeordnete Ludwig Frank hatte sich maßgeblich für ein erstes Treffen in Bern 1913 eingesetzt. Hier ein Bild um 1910. Quelle: Archiv der sozialen Demokratie der Friedrich-Ebert-Stiftung.

Der badische SPD-Abgeordnete Ludwig Frank hatte sich maßgeblich für ein erstes Treffen in Bern 1913 eingesetzt. Hier ein Bild um 1910. Quelle: Archiv der sozialen Demokratie der Friedrich-Ebert-Stiftung.

Am 29. und 30. Mai 1914 tagten in Basel französische und deutsche Parlamentsabgeordnete. Bereits im Vorjahr hatte in Bern eine Konferenz stattgefunden, auf welcher ein ständiges deutsch-französisches innerparlamentarisches Komitee mit der Förderung der deutsch-französischen Freundschaft betraut worden war. Angeregt wurde die überparteiliche Zusammenkunft von den Sozialdemokraten Friedrich Stampfer und Ludwig Frank, deren Vorschlag auf französischer und schweizer Seite begrüßt wurde. In Bern waren insgesamt 156 Abgeordnete zugegen, darunter auch 83 französische und 6 deutsche Vertreter bürgerlicher Parteien.[1] Nun wurden die Berner Beschlüsse in kleinerer Runde erneut bekräftigt. Neben Frank und anderen waren auch Philipp Scheidemann, Hugo Haase, Georg Ledebour, Eduard David, Eduard Bernstein und Jean Jaurès angereist.[2] In seiner abschließenden Resolution betonte das Komitee, den Friedenswillen beider Völker weiter hervorheben und dem durch Wettrüsten und negative Presse wachsenden gegenseitigen Misstrauen aktiv entgegenwirken zu wollen.[3] Im Rückblick schrieb Scheidemann: »Das Band zwischen allen Friedensfreunden diesseits und jenseits der Vogesen schien fester geknüpft, denn je zuvor.«[4]

Ausschnitt des Berichts zur Konferenz im »Lübecker Volksboten« vom 2. Juni 1914.

Ausschnitt des Berichts zur Konferenz im »Lübecker Volksboten« vom 2. Juni 1914.

[1] Vgl. Philipp Scheidemann, Memoiren eines Sozialdemokraten, Bd. 1, Dresden 1928, S. 227–231.
[2] Vgl. die Angabe zu den Teilnehmern in der politischen Übersicht der »Volkswacht« für Schlesien, Posen und die Nachbargebiete vom 3. Juni 1914.
[3] Vgl. Abdruck der Resolution im »Lübecker Volksboten« vom 2. Juni 1914.
[4] Scheidemann, Memoiren, S. 231.

Link zur Quelle: »Lübecker Volksbote« vom 2. Juni 1914.

Mehr Quellen zu Jean Jaurès (frz.): 2014 année Jaurès.

»Dreiklassenschmach«

Sozialdemokraten protestieren für ein allgemeines, gleiches, direktes und geheimes Wahlrecht in Preußen

Flugblatt mit Aufruf zur Versammlung in Altona. Quelle: Archiv der sozialen Demokratie der Friedrich-Ebert-Stiftung.

Flugblatt mit Aufruf zur Versammlung in Altona. Quelle: Archiv der sozialen Demokratie der Friedrich-Ebert-Stiftung.

Am 28. Mai 1914 informierte Heinrich Kürbis, SPD-Stadtverordneter in Altona und Bezirksparteisekretär für Schleswig-Holstein, alle Versammelten im Ballsaal »Blumensäle« in Altona über die aktuellen Ereignisse im Preußischen Abgeordnetenhaus. Der neue preußische Reichsminister des Innern Friedrich Wilhelm von Loebell hatte dort zehn Tage zuvor nach seiner Antrittsrede die Frage, ob er für Preußen ein neues Wahlrecht vorsehe, vehement verneint. Mit seiner klaren Absage entfachte er einen Sturm der Entrüstung aufseiten der Sozialdemokraten.[1] Die Ablösung seines Vorgängers, Johann von Dallwitz, hatte zunächst neue Hoffnungen auf eine Reform geweckt. Die durch das Wahlrecht unantastbare politische Dominanz der wohlhabenden Agrarier, Junker und Konservativen und die Vormachtstellung Preußens im Reich stellten die größte Hürde für demokratische Reformen im Interesse der Mehrheit der Bevölkerung dar. Loebell selbst gehörte als Rittergutsbesitzer zu den Profiteuren des Dreiklassenwahlrechts.

[1] Vgl. Bericht zur Sitzung im Abgeordnetenhaus im »Lübecker Volksboten« vom 19. Mai 1914.

 

»Lebende Zielscheiben«

Preußische Heeresverwaltung führt dem Kaiser neuen Apparat für Schießübungen vor

Beitrag aus der Rubrik »Politische Rundschau« des »Lübecker Volksboten« vom 29. Mai 1914.

Beitrag aus der Rubrik »Politische Rundschau« des »Lübecker Volksboten« vom 29. Mai 1914.

Das noch neue Medium Film und die Möglichkeit der Projektion im Kino, damals oftmals »Kintopp« genannt, steckte 1914 noch in den Kinderschuhen. Neben den Parteien und der Presse entdeckte nun auch das Militär, welche Möglichkeiten in der neuen Technik steckten. Mithilfe eines speziellen Projektionsapparates sollten Soldaten in Zukunft zur Übung auf bewegliche Ziele schießen können. Anhand der Einschusslöcher und dem Anhalten des Films ließ sich dann die Treffgenauigkeit überprüfen. Der »Lübecker Volksbote« kommentierte die Nachrichten der bürgerlichen Presse mit der Hoffnung, dass das Kriegsspielen in Zukunft nur noch im Kino stattfinde – ein bis heute aktueller, aber noch immer nicht Wirklichkeit gewordener Gedanke.

Link zur Quelle: »Lübecker Volksbote« vom 29. Mai 1914.

Zweiradfahren

Immer mehr Arbeiter können sich ein Fahrrad leisten

Fahrräder gehörten in der ersten Hälfte des Jahres 1914 neben Lebensmitteln und Bekleidungsartikeln zu den oft beworbenen Konsumgütern in der Arbeiterpresse. Hier eine Anzeige aus der »Volksstimme« (Magdeburg) vom 23. Mai 1914.

Fahrräder gehörten in der ersten Hälfte des Jahres 1914 neben Lebensmitteln und Bekleidungsartikeln zu den oft beworbenen Konsumgütern in der Arbeiterpresse. Hier eine Anzeige aus der »Volksstimme« (Magdeburg) vom 23. Mai 1914.

Fahrräder hatten sich in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts immer mehr vom Luxusgegenstand zum Massenverkehrsmittel entwickelt. Im ersten Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts wurden sie so günstig, dass sich auch besser verdienende Arbeiter ein Fahrrad leisten konnten. Die Vorteile des – wenn auch oft nur gebraucht – erschwinglichen Verkehrsmittels lagen auf der Hand: Nun war es möglich, weiter von der Arbeitsstätte entfernt zu wohnen, ohne Geld für öffentliche Verkehrsmittel ausgeben zu müssen. Allerdings verlangten einige Kommunen eine Fahrradabgabe für den Unterhalt von Radwegen. Das Fahrrad veränderte auch das Freizeitverhalten; auf eigene Faust oder im Arbeiter-Radfahrer-Bund »Solidarität« wurden Wochenendausflüge und Gruppenfahrten unternommen. Auch die technische Entwicklung hatte Anteil am Erfolg des Rads: Schlauchreifen und erste Vordergabelfederungen förderten die Freude am Fahren und ermöglichten längere Touren.23.5. Zweiradfahren_Volkswacht (Westpreußen) 6.5._1_Sozialdemokratie1914

Fahrradanzeigen aus der »Volkswacht« (Westpreußen) vom 6. Mai 1914.

Fahrradanzeigen aus der »Volkswacht« (Westpreußen) vom 6. Mai 1914.

Link zur Quelle: »Volksstimme« (Magdeburg) vom 23. Mai 1914.

Schluss der Reichstagssession

SPD-Abgeordnete bleiben beim Hoch auf den Kaiser sitzen

Am 4. Februar 1914 hatte die SPD-Reichstagsfraktion beschlossen, beim traditionellen ›Kaiserhoch‹ zum Schluss jeder Reichstagssession im Saal zu bleiben und sich nicht zu erheben. Als am Mittag des 20. Mai der Ruf »Seine Majestät der Deutsche Kaiser, Wilhelm II., König von Preußen, lebe hoch! – hoch! – hoch!« ausgerufen wurde, erhoben sich die Abgeordneten von ihren Sitzen und stimmten in den Hochruf mit ein – alle außer den Sozialdemokraten. Der Reichstagspräsident Johannes Kaempf ging darauf ein und äußerte sein Bedauern. Schließlich schulde jeder Deutsche dem Kaiser Achtung, die so zum Ausdruck gebracht werde.[1]
Für Hermann Molkenbuhr, seit 1911 Vorsitzender der SPD-Reichstagsfraktion, war der Entschluss seiner Genossen nicht nachvollziehbar. In seinem Tagebuch schrieb er, durch die Änderung der bisherigen Praxis, entweder den Saal zu verlassen oder sich zu erheben, hätten »die alten Führer [August] Bebel und [Paul] Singer Fußtritte« erhalten.[2] Für ihn war das Sitzenbleiben kein radikaleres Vorgehen, sondern der »erste Schritt zur Beteiligung«. Die Voraussage Molkenbuhrs sollte sich bald bewahrheiten: Am 4. August 1914, unmittelbar nach Ausbruch des Ersten Weltkriegs, erhob sich der gesamte Reichstag zu Ehren des Kaisers.[3]

Hermann Molkenbuhr um 1913. Quelle: Archiv der sozialen Demokratie der Friedrich-Ebert-Stiftung.

Hermann Molkenbuhr um 1913. Quelle: Archiv der sozialen Demokratie der Friedrich-Ebert-Stiftung.

[1] Reichstagsprotokolle, 264. Sitzung, Mittwoch den 20. Mai 1914, S. 9171, URL: <http://www.reichstagsprotokolle.de/Blatt_k13_bsb00003391_00621.html>.
[2] Bernd Braun/Joachim Eichler (Hrsg.), Arbeiterführer – Parlamentarier – Parteiveteran. Die Tagebücher des Sozialdemokraten Hermann Molkenbuhr 1905 bis 1927, München 2000, S. 222f.
[3] Ebd., insb. Anmerkung 11.

 

Gegen Militarismus und Wettrüsten

SPD-Reichstagsfraktion wählt Vertreter für den X. Internationalen Sozialistenkongress in Wien

Deckblatt der Broschüre zum X. Internationalen Sozialistenkongress in Wien 1914, Wien [1914]. Quelle: Archiv der sozialen Demokratie der Friedrich-Ebert-Stiftung.

Deckblatt der Broschüre zum X. Internationalen Sozialistenkongress in Wien 1914, Wien [1914]. Quelle: Archiv der sozialen Demokratie der Friedrich-Ebert-Stiftung.

In ihrer Sitzung am 13. Mai 1914 wählte die SPD-Reichstagsfraktion vier Vertreter für den X. Internationalen Sozialistenkongress. Dieser sollte vom 23. bis 29. August in Wien stattfinden. Gewählt wurden: Wilhelm Bock, Eduard David, [verm. Richard] Fischer und Georg Ledebour; als Stellvertreter: Adolf Hofrichter, Heinrich Hüttmann und Eduard Bernstein.[1] Die Abgesandten wollten nicht nur ein Zeichen der internationalen Arbeiterverbrüderung setzen, sondern ganz konkret über Möglichkeiten beraten, wie ein künftiger Krieg verhindert werden könne. Hugo Haase, neben Friedrich Ebert Parteivorsitzender der SPD, forderte in seinem vorbereiteten Referat die Begrenzung von Rüstungsanstrengungen, die Umwandlung stehender Heere in Volksheere für den Verteidigungsfall und nicht zuletzt Schiedsgerichte, die über Streitigkeiten zwischen den Völkern entscheiden sollten.[2] Im Angesicht der Kriegsgefahr wurde noch im Juli 1914 ein Ortswechsel erwogen, obwohl schon alles für den Kongress vorbereitet war. Als der Erste Weltkrieg dann schließlich ausbrach, fiel der geplante Kongress gänzlich aus.

[1] Vgl. Die Reichstagsfraktion der deutschen Sozialdemokratie 1898 bis 1918. Erster Teil, bearb. v. Erich Matthias u. Eberhard Pikart (= Quellen zur Geschichte des Parlamentarismus und der politischen Parteien, hrsg. v. Werner Conze u. Erich Matthias, Bd. 3/I), Düsseldorf 1966, S. 317.
[2] Vgl. Hugo Haase, Grundzüge für das Referat und die Resolution über Imperialismus und Schiedsgerichte, [Brüssel 1914].

Links zu den Quellen: Broschüre zum X. Internationalen Sozialistenkongress in Wien 1914, Wien [1914] und Bericht des Partei-Vorstandes der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands an den Internationalen Sozialisten-Kongreß in Wien (1914) über die Tätigkeit der Partei seit dem Kopenhagener Kongreß / Sozialdemokratische Partei Deutschlands. Berlin 1914.

Mehr zum geplanten Kongress: Gerd Callesen, Der X. Internationale Sozialistische Kongress in Wien.