Passierschein!

Gustav Noske und Adolph Köster besichtigen Brüssel

Nachdem sie am Vortag mit dem Automobil in Brüssel angekommen waren, besichtigten Gustav Noske und Adolph Köster am 22. September 1914 die weitgehend unzerstörte belgische Hauptstadt. Um an den Soldaten, die die Zufahrtsstraßen zur Front und Knotenpunkte innerhalb von Städten kontrollierten, vorbeizukommen, benötigte man einen von der Kommandantur ausgestellten Passierschein. Dieser konnte jedoch jederzeit für ungültig erklärt werden. Zudem wurden die Routen der Kriegsberichtserstatter im Vorfeld festgelegt und die Kommandeure vor Ort über das Eintreffen informiert. Ein selbstständiges Reisen an die Front war nicht möglich.[1] Gerade für die beiden Sozialdemokraten galten diese scharfen Bedingungen – unabhängig von Noskes Reichstagsmandat. In seinem Kriegstagebuch hielt Noske seine Eindrücke an diesem Tag fest:

»Morgens ziehen Truppen mit Musik durch die Stadt. Über die Stadt geht ein Flieger weg nach Antwerpen zu. Sammelbüchsen auf Straßen wie in Berlin. Unsere Wache hält uns für Kruppleute. Kommandant Major Bayer stellt uns Passierscheine zum Photographieren aus. […]
Vor dem Gouvernement spielt mittags Marinemusik. Auf den Straßen wimmeln Bürger als Polizeihelfer herum. Nordbahnhofsplatz großer Trubel. Hunderte deutsche Bahnbeamte. Wagenpark steht in Empfangshalle. Automobile kommen auf den Bahnsteigen. Ganzes Pferdelager in der Halle für Kommandantur und für Gendarmen. Dicht am Bahnhof Seesoldaten, die meist Sachsen waren. Kamen von großer Erkundungsfahrt. Vor Justizpalast 15 cm-Kanonen. In Kaserne sahen wir österreichische Geschütze, die von Maubeuge kamen. Abends an Plakatsäulen Bekanntmachungen über Kriegslage und ein erneutes Verbot, Zeitungen zu verkaufen.«[2]
Der vom Kommandanten in Brüssel, Major Bayer, ausgestellte Passierschein für Adolph Köster mit der Erlaubnis, in Brüssel und Umgebung zu fotografieren. 1/AKAF000001, Nachlass Adolph Köster, Persönliche Unterlagen, Ausweise, Urkunden, Archiv der sozialen Demokratie der Friedrich-Ebert-Stiftung.

Der vom Kommandanten in Brüssel, Major Bayer, ausgestellte Passierschein für Adolph Köster mit der Erlaubnis, in Brüssel und Umgebung zu fotografieren. 1/AKAF000001, Nachlass Adolph Köster, Persönliche Unterlagen, Ausweise, Urkunden, Archiv der sozialen Demokratie der Friedrich-Ebert-Stiftung.

[1] Vgl. Susanne Brandt, Kriegsberichterstattung, in: Gerhard Hirschfeld/Gerd Krumeich/Irina Renz (Hrsg.), Enzyklopädie Erster Weltkrieg, Paderborn/München etc. 2003, S. 631.
[2] Eintrag vom 22. September 1914, Gustav Noske, Kriegstagebuch 1914, masch. Abschrift, Nachlass Gustav Noske, Archiv der sozialen Demokratie der Friedrich-Ebert-Stiftung.