Aufbruch zum Frontbesuch

Gustav Noske macht sich auf den Weg zum westlichen »Kriegsschauplatz«

Redakteur der »Volksstimme« (Chemnitz) und Abgeordneter des Reichstags Gustav Noske etwa 1907. Quelle: Archiv der sozialen Demokratie der Friedrich-Ebert-Stiftung, 6/FOTA008102.

Redakteur der »Volksstimme« (Chemnitz) und Abgeordneter des Reichstags Gustav Noske etwa 1907. Quelle: Archiv der sozialen Demokratie der Friedrich-Ebert-Stiftung, 6/FOTA008102.

Curt Baake, Herausgeber der sozialdemokratischen Parlamentskorrespondenz »Politisch-parlamentarische Nachrichten«, empfand es als Mangel, dass die sozialdemokratischen Zeitungen ihre Berichte über den Krieg stets aus zweiter Hand übernehmen mussten. Er fragte den SPD-Reichstagsabgeordneten und Redakteur der Chemnitzer »Volksstimme« Gustav Noske, ob er nicht als Kriegsberichtserstatter an die Front reisen wolle.[1] Noske stimmte zu und traf Reisevorbereitungen. Beim Generalstab bemühte er sich um die für jeden Kriegsberichtserstatter notwendige offizielle Erlaubnis. Am 18. September erhielt er den ersehnten Ausweis. Zugleich hatte er sich verpflichtet, den Reisebericht vor seiner Veröffentlichung dort zur Zensur vorzulegen. Als Fotograf reiste Adolph (auch Adolf) Köster mit. Der freie Journalist war wegen eines Herzfehlers nicht kriegstauglich und verdingte sich fortan als Berichterstatter für die Parteipresse, insbesondere den »Vorwärts«. Noske führte ein Kriegstagebuch über die Reise. Am 19. September 1914 notierte er seine Eindrücke vom Geschehen an deutschen Bahnhöfen:

»Sonnabend, 19.9. Köster gekommen. Abfahrt Berlin, Friedrichstrasse 1, 12 Mittag. Im Zug Soldaten, die schon im Feld waren und wieder zur Front gingen. Grau sieht schon recht schmutzig aus. Unteroffizier der Landwehr, der durch Granatsplitter verwundet wurde, ist Führer einer Kolonne, die 1500 gefangene Engländer und Franzosen nach Döberitz brachte. Der Mann spricht Englisch und Französisch […]
Der Bahnhofspflegedienst für Soldaten ist noch immer gut im Gange. Es scheinen mir mehr Personen damit beschäftigt zu sein als notwendig wäre.
Das Wetter ist bis in die Nacht hinein regnerisch und stürmisch. Auf jedem Bahnhof leicht Verletzte. Der erste Verwundetenzug auf Bahnhof Düsseldorf.
Lahm, schief, humpelnd, verbundenes Bein der eine, Arm in Schlinge der andere, so kamen sie aus Güterwagen heraus. Andere blieben im Stroh liegen. Manche standen in Decken gehüllt, fröstelnd, denn die Nacht war kühl.
Ankunft Köln 12 ½ nachts. Ins nächste Hotel am Bahnhof.«[2]

[1] Vgl. Wolfram Wette, Gustav Noske. Eine politische Biographie, Düsseldorf 1987, S. 157f.
[2] Gustav Noske, Kriegstagebuch 1914, masch. Abschrift, Nachlass Gustav Noske, Archiv der sozialen Demokratie der Friedrich-Ebert-Stiftung. Der bei der Reise entstandene Bericht wurde noch 1914 publiziert: Gustav Noske/Adolph Köster, Kriegsfahrten durch Belgien und Nordfrankreich 1914, Berlin 1914.