Gleichberechtigung im Militär?

Sozialdemokrat Paul Göhre möchte Offizier werden

Trotz des kriegsbedingt eingegangenen Burgfriedens im Kaiserreich war die von vielen Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten angestrebte gleichberechtigte Integration in die Gesellschaft längst nicht in allen Bereichen umgesetzt. Zu nachhaltig waren die gegen die Sozialdemokratie über Jahre hinweg vorgebrachten Anschuldigungen und Vorurteile in den Köpfen ihrer Gegner verankert. Besonders im konservativen preußischen Militär wirkten weiterhin abwehrende Muster fort. Häufig genug war ein Umdenken überhaupt nicht erwünscht. Noch während des Kriegs wurden deutsche Offiziere auf ihre Pflicht hingewiesen, das Vaterland auch gegen innere Feinde wie die Sozialdemokratie zu beschützen und diese zu bekämpfen. Das ging so weit, dass sie als »Todfeindin des deutschen Offiziers« bezeichnet wurde.[1] Dem wollte man seitens der SPD entgegenwirken. Ein Beispiel dafür ist der Versuch des evangelischen Theologen und SPD-Reichstagsabgeordneten Paul Göhre – er meldete sich nicht nur freiwillig zum Militär, sondern wollte zudem ein Zeichen setzen und Offizier werden. Am 3. September 1914 hatte Eduard David in seinen Tagebuchaufzeichnungen festgehalten:

»Sodann kommt Göhre. Er hat sich als freiwilliger Landsturmmann gemeldet mit der Bedingung, daß er als Offizier Verwendung finde. War Unteroffizier und schied dann als Theologe aus dem Heere. Jetzt ist ihm mitgeteilt, daß er als Kriegsfreiwilliger angenommen ist, aber es scheint zweifelhaft, ob seine Bedingung akzeptiert ist.«[2]

Göhre bat David um Rat, ob er seine Bitte nicht direkt beim stellvertretenden Kriegsminister, Adolf Wild von Hohenborn, vortragen solle. David empfahl:

»die Sache lediglich auf der Grundlage zu behandeln: Wir wollen, indem wir alle Pflichten für das Land übernehmen, auch volle Gleichberechtigung im Heer. Seine Ernennung soll ein Dokument dieser Gleichberechtigung sein: auch ein Sozialdemokrat kann fortan in Deutschland wie anderwärts Offizier sein. Für die Haltung und Entwicklung der Sozialdemokratie ist das von Wichtigkeit.«[3]

Am 4. September 1914 notierte David:

»Aus Göhres Plan ist nichts geworden, da der Stellvertretende Kriegsminister ihn für unmöglich erklärt hat aus militär-bürokratischen Gründen.«[4]

Paul Göhre wurde im Jahr 1915 an der Ostfront zum Offizier befördert.

SPD-Reichstagsabgeordneter Paul Göhre im Jahr 1912. Quelle: Archiv der sozialen Demokratie der Friedrich-Ebert-Stiftung, 6/FOTA052868.

SPD-Reichstagsabgeordneter Paul Göhre im Jahr 1912. Quelle: Archiv der sozialen Demokratie der Friedrich-Ebert-Stiftung, 6/FOTA052868.

[1] Vgl. Wolfram Wette, Gustav Noske. Eine politische Biographie, Düsseldorf 1987, S. 121.
[2] Das Kriegstagebuch des Reichstagsabgeordneten Eduard David 1914 bis 1918, bearb. v. Susanne Miller (= Quellen zur Geschichte des Parlamentarismus und der politischen Parteien. Erste Reihe: Von der konstitutionellen Monarchie zur parlamentarischen Republik, hrsg. v. Werner Conze u. Erich Matthias, Bd. 4), Düsseldorf 1966, S. 33.
[3] Ebd.
[4] Ebd., S. 34.