Gegen die Erhöhung der Mieten

Mieter in Magdeburg wehren sich gegen geplante Mietsteigerung um 15%

Ankündigung zu den vom Sozialdemokraten W. Berkling einberufenen Mieterversammlungen in der »Volksstimme« (Magdeburg) vom 5. April 1914.

Ankündigung zu den vom Sozialdemokraten W. Berkling einberufenen Mieterversammlungen in der »Volksstimme« (Magdeburg) vom 5. April 1914.

Rund 600 Personen nahmen am 6. April 1914 an der Mieterversammlung im Magdeburger Kristallpalast teil, wählten eine »Mieterabwehrkommission« und beschlossen eine Resolution. Gegen die vom Hausbesitzerverband geplante Erhöhung erhoben sie »entschiedenen Protest« und forderten vom Magistrat der Stadt mehr Engagement im Kleinwohnungsbau und eine bessere Unterstützung von Bauvereinen und Genossenschaften. In die 10-köpfige Kommission wurden unter anderem die Sozialdemokraten Wilhelm Haupt, Alwin Brandes, August Flügge und Rudolf Henning gewählt. Der SPD-Stadtverband Magdeburg zählte 1914 7.500 Mitglieder und war bestens organisiert.[1] Um den Hausbesitzern geschlossen entgegenzutreten, waren unter anderem der Magistrat, die Stadtverordneten und Vertreter der liberalen Hirsch-Dunckerschen Gewerkvereine geladen worden. Der breite Protest hatte Erfolg: Die Hausbesitzer ruderten zurück und verlautbarten, ein Aufschlag von 15% sei zwar ihr Wunsch, aber nicht ihr Plan gewesen und Kleinwohnungen blieben generell von den Erhöhungen verschont.[2]

Leben auf kleinstem Raum: Berliner Wohnung einer kinderreichen Familie um 1912. Rechteinhaber nicht ermittelbar.

Leben auf kleinstem Raum: Berliner Wohnung einer kinderreichen Familie um 1913. Quelle: Archiv der sozialen Demokratie der Friedrich-Ebert-Stiftung.

[1] Vgl. Geschichte des SPD-Stadtverbands Magdeburg.

[2] Vgl. »Volksstimme« (Magdeburg) vom 16. April 1914.

Links zu den Quellen: Ankündigung in der »Volksstimme« (Magdeburg) vom 5. April 1914 und Bericht über die Versammlung in der »Volksstimme« (Magdeburg) vom 8. April 1914.

Die Sozialdemokratie in den Landtagen

Die SPD stellt 220 Abgeordnete in den Landesparlamenten

Bericht der »Volkswacht« für Schlesien, Posen und die Nachbargebiete vom 4. April 1914 über den »reaktionären« preußischen Landtag.

Bericht der »Volkswacht« für Schlesien, Posen und die Nachbargebiete vom 4. April 1914 über den »reaktionären« Preußischen Landtag.

Dem Bericht des SPD-Parteivorstands vom 31. März nach war die Sozialdemokratie im Frühjahr 1914 mit 220 Abgeordneten in den Landtagen vertreten: 30 Abgeordnete in Bayern, 25 in Sachsen, 20 in Hamburg, 17 in Württemberg, 16 in Bremen, 13 in Baden, 13 in Lübeck, 11 in Oldenburg, 11 in Elsass-Lothringen, 10 in Preußen, 9 in Sachsen-Meiningen, 9 in Schwarzburg-Rudolstadt, 8 in Gotha, 8 in Hessen, 7 in Sachsen-Altenburg, 4 in Sachsen-Weimar, 3 im Fürstentum Reuß ältere Linie, 2 im Fürstentum Reuß jüngere Linie und jeweils 1 Abgeordneter in Anhalt, in Schaumburg-Lippe, in Lippe und in Schwarzburg-Sondershausen. In den Städten und Gemeinden stellte die SPD insgesamt 11.880 Volksvertreter, wobei das Dreiklassenwahlrecht in Preußen auch auf kommunaler Ebene eine reaktionäre Barriere darstellte.[1]

Ein schwerer Stand im ›Dreiklassenparlament‹: die Sozialdemokraten im preußischen Landtag 1913.

Ein schwerer Stand im ›Dreiklassenparlament‹: die Sozialdemokraten im Preußischen Landtag 1913. Rechte: frei.

[1] Vgl. Franz Osterroth/Dieter Schuster, Chronik der deutschen Sozialdemokratie. Electronic ed., Bd. 1: Bis zum Ende des Ersten Weltkrieges, Bonn 2001.

Link zur Quelle: »Volkswacht« für Schlesien, Posen und die Nachbargebiete vom 4. April 1914.

Zur preußischen Vormachtstellung im Reich vgl. auch: »Der preussische Partikularismus und die deutsche Sozialdemokratie«.

Arbeiterbildung

Hunderte Vorträge, Schulungen und Bibliotheken fördern die Mündigkeit von sozialdemokratischen Arbeiterfamilien

Bericht des »Lübecker Volksboten« vom 3. April 1914 über die Teilnehmerstruktur der Parteischule.

Bericht des »Lübecker Volksboten« vom 3. April 1914 über die Teilnehmerstruktur der Parteischule.

Der Bildungsausschuss der SPD teilte im Zuge des Jahresberichts des SPD-Parteivorstands vom 31. März 1914 mit, dass im Vorjahr in 215 Orten 357 Vortragskurse mit 2.152 Vorträgen und 60.450 Teilnehmern gehalten wurden. Darüber hinaus fanden 675 künstlerische Veranstaltungen mit 302.306 Besuchern, 769 Theaterabende und Volksvorstellungen mit 604.405 Besuchern, davon 38 Kindervorstellungen mit 25.465 Besuchern, statt. 49 Gesellschaftsreisen mit Arbeiterinnen und Arbeitern wurden unternommen. Von sozialdemokratischen Wanderrednern, darunter Hermann Duncker, Julian Borchardt, Otto Rühle und Paul Lensch, wurden 882 Kurse mit 4.795 Vorträgen und 137.120 Besuchern durchgeführt. Neben diesen kulturell und politisch ausgerichteten Veranstaltungen sorgte die Partei auch durch den Unterhalt zahlreicher Bibliotheken für ein breit gefächertes Bildungsangebot: In 748 Orten existierten 1.147 Arbeiterbibliotheken. Diese waren 1913 mit 284.357,97 Mark aus der Parteikasse unterstützt worden und wiesen einen Bestand von 833.857 Büchern auf.[1]

August Bebel im Jahr 1880. Zwei Jahre zuvor hatte er im »Vorwärts« die Gründung einer allgemeinen Parteibibliothek angeregt.

August Bebel im Jahr 1880. Zwei Jahre zuvor hatte er im »Vorwärts« die Gründung einer allgemeinen Parteibibliothek angeregt. Quelle: Archiv der sozialen Demokratie der Friedrich-Ebert-Stiftung.

[1] Vgl. Franz Osterroth/Dieter Schuster, Chronik der deutschen Sozialdemokratie. Electronic ed., Bd. 1: Bis zum Ende des Ersten Weltkrieges, Bonn 2001.

Link zur Quelle: »Lübecker Volksbote« vom 3. April 1914.

Mehr zur Geschichte der Parteibibliotheken: Rüdiger Zimmermann, Das gedruckte Gedächtnis der Arbeiterbewegung bewahren. Die Geschichte der Bibliotheken der deutschen Sozialdemokratie, Bonn 2008.