Die »Rote Prinzessin«

Pauline Willim, geb. Herzogin von Württemberg, stirbt in Breslau

Traueranzeigen in der »Volkswacht« für Schlesien, Posen und die Nachbargebiete vom 24. April 1914.

Traueranzeigen in der »Volkswacht« für Schlesien, Posen und die Nachbargebiete vom 24. April 1914.

Fast die Hälfte ihres Lebens hatte sich die aus dem Königshaus Württemberg stammende Herzogin Pauline den Interessen der Arbeiterinnen und Arbeiter verschrieben. Wegen ihrer Hochzeit mit dem bürgerlichen Arzt Dr. Melchior Willim im Jahr 1880 verzichtete sie, dem Drängen ihrer Familie nachgebend, auf Namen, Stand und Titel. Ihr Engagement für Not leidende Arbeiterfamilien und als Mitglied des Sozialdemokratischen Vereins für Breslau Ost und West brachten ihr bald den Spitznamen »Rote Prinzessin« ein. Trotz oder auch wegen ihres ungewohnten Wesens hatte sie viele Bewunderer. Der Trauerzug dauerte eine halbe Stunde und wurde von den sozialdemokratischen Frauen und der Breslauer Arbeiterschaft durch Spaliere der Anteil nehmenden Bevölkerung geführt. Im Vorfeld hatte die Polizei eine Beschlagnahmung roter Kranzschleifen angedroht. Dem Wunsch der Angehörigen, auf diese zu verzichten, um unnötigen Tumult zu vermeiden, wurde Rechnung getragen. Den Sarg zierte eine schwarz-rote Schleife, die Farben des Königshauses.[1]22.4. Die Rote Prinzessin_1_Luebecker Volksbote 25.4.1914_Sozialdemokratie1914

Meldung des »Lübecker Volksboten« vom 25. April 1914 zum Tod von Pauline Willim.

Meldung des »Lübecker Volksboten« vom 25. April 1914 zum Tod von Pauline Willim.

[1] Vgl. Bericht zur Beerdigung im »Lübecker Volksboten« vom 28. April 1914.

Links zu den Quellen: Nachruf und Traueranzeigen in der »Volkswacht« für Schlesien, Posen und die Nachbargebiete vom 24. April 1914 und »Lübecker Volksbote« vom 25. April 1914.

Fotografie der »Roten Prinzessin« mit Kind: Hauptstaatsarchiv Stuttgart.

Internationale Friedenskundgebung sozialdemokratischer Frauen in Berlin

Vertreterinnen der sozialistischen Fraueninternationale warnen vor Kriegsgefahr durch Wettrüsten und Militarismus

21.4. Friedensdemonstration in Berlin_Die Gleichheit 13.5._1_Sozialdemokratie191421.4. Friedensdemonstration in Berlin_Die Gleichheit 13.5._2_Sozialdemokratie1914

Bericht über die Demonstrationsveranstaltung in: »Die Gleichheit« vom 13. Mai 1914.

Bericht über die Demonstrationsveranstaltung in: »Die Gleichheit« vom 13. Mai 1914.

Am Abend des 21. April 1914 war der Saal der Neuen Welt – einem beliebten Freizeit- und Versammlungsort im Süden Berlins – gut gefüllt. Clara Zetkin begrüßte ihre Parteifreundinnen. Neben dem Urteil gegen Rosa Luxemburg prangerte sie vor allem den preußischen Militarismus an, der sich erneut im Zuge der ›Zabern-Affäre‹ gezeigt habe. Durch die Teilnehmerinnen der am Vortag abgehaltenen Planungssitzung hatte die Versammlung internationalen Charakter. Einzig die Russin Alexandra Kollontai war schon wieder abgereist, um der Polizei zu entgehen. Der Polizeipräsident von Berlin, Traugott von Jagow, nutzte den »Sprachenparagrafen« des Vereinsgesetzes, um gegen die Sozialdemokratie vorzugehen. Dieser kam einem Verbot des Gebrauchs von Fremdsprachen bei Zusammenkünften gleich, sofern man eine gegen das Kaiserreich gerichtete Tendenz ausmachte. Um Kollontai zu schützen, wurde sie von der sozialdemokratischen Presse anonymisiert. Die Frauenrechtlerinnen Hilja Pärssinen aus Finnland und Luise Simonay aus Frankreich reisten gar nicht erst an, sondern schickten Grußbotschaften. Luise Zietz verdeutlichte abschließend die Gefahr des kapitalistischen Rüstungswettbewerbs für den Frieden und die kulturelle Weiterentwicklung der Völker und rief die internationale Sozialdemokratie zum Zusammenhalt auf.[1]

Clara Zetkin trat auch als Herausgeberin der Zeitschrift »Die Gleichheit« für die Gleichberechtigung der Frau und den Frieden ein – hier eine Aufnahme von 1911 mit Rosa Luxemburg. Rechteinhaber nicht ermittelbar.

Clara Zetkin trat auch als Herausgeberin der Zeitschrift »Die Gleichheit« für die Gleichberechtigung der Frau und den Frieden ein – hier eine Aufnahme von 1911 mit Rosa Luxemburg. Quelle: Archiv der sozialen Demokratie der Friedrich-Ebert-Stiftung.

[1] »Lübecker Volksbote« vom 24. April 1914.

Vorbereitung der Internationalen Konferenz sozialistischer Frauen und Arbeiterinnen-Organisationen

Sozialistinnen aus ganz Europa planen in Berlin gemeinsames Vorgehen

Einladung Clara Zetkins zur vorbereitenden Sitzung des Komitees für die Internationale Frauenkonferenz 1914 in Wien am 20. April in Berlin.

Einladung Clara Zetkins zur vorbereitenden Sitzung des Komitees für die Internationale Frauenkonferenz 1914 in Wien am 20. April in Berlin.

Gestärkt durch die positive Resonanz des Internationalen Frauentags arbeitete Clara Zetkin als internationale Sekretärin der sozialdemokratischen Frauen an der Ausweitung der länderübergreifenden Vernetzung. Zum 20. April 1914 lud sie ein Planungskomitee für die nächste Internationale Frauenkonferenz nach Berlin ein. Die Konferenz sollte im Anschluss an den Internationalen Sozialistenkongress im August in Wien stattfinden. Neben ihren Parteifreundinnen Luise Zietz und Ottilie Baader hieß sie die Niederländerin Helen Ankersmit, die Engländerin Mary Longman, die Österreicherinnen Anna Boschek und Adelheid Popp und die aus St. Petersburg stammende Alexandra Kollontai willkommen. Nach der Beratung verschiedener Anträge wurden Referate für die zentralen Themen verteilt: allgemeines und kommunales Frauenwahlrecht, Kinder-, Säuglings- und Mutterschutz, Arbeiterinnenschutz und Preisteuerungen. Für den folgenden Tag war eine Demonstrationsveranstaltung für den Weltfrieden anberaumt.

Erste Seite des Sitzungsprotokolls vom 20. April 1914.

Erste Seite des Sitzungsprotokolls vom 20. April 1914.

Links zu den Quellen: Einladung Clara Zetkins zur vorbereitenden Sitzung des Komitees für die Internationale Frauenkonferenz 1914 in Wien am 20. April in Berlin und Sitzungsprotokoll vom 20. April 1914.

Die Macht des Einkaufskorbs

Hauswirtschaft als politische »Waffe« der Frau

Ausschnitt eines Artikels der »Solidarität« vom 18. April 1914.

Ausschnitt eines Artikels der »Solidarität« vom 18. April 1914.

Am 18. April 1914 wies die »Solidarität«, das Organ des Verbands der Buch- und Steindruckerei-Hilfsarbeiter und -Arbeiterinnen Deutschlands, auf die wirtschaftliche Bedeutung des Hauswirtschaftens hin. Dabei wurde vor allem die Möglichkeit der aktiven politischen Einflussnahme durch überlegtes Einkaufen betont. Der »Einkaufskorb der Hausfrauen« wurde zur fraueneigenen »Waffe« gegen Konsumzwang und Lebensmittelwucher stilisiert. Die Teuerung der Lebensmittel, insbesondere bei Fleischprodukten, war im Frühjahr 1914 ein von der Presse oft aufgegriffenes Thema. Seit Ende der 1890er Jahre war etwa der Preis für Schweinefleisch um ein Viertel angestiegen. Die mühsam erkämpfte Steigerung der Löhne wurde durch diese Tendenz konterkariert.[1]

18.4. Macht des Einkaufskorbs_Innenaufnahme Küche um 1914_Sozialdemokratie1914

Hunger trotz Arbeit. Arbeiter in bescheidener Küche um 1914. Quelle: Archiv der sozialen Demokratie der Friedrich-Ebert-Stiftung.

[1] Vgl. Teuerung und Löhne, in: »Volksstimme« (Magdeburg) vom 7. April 1914.

Link zur Quelle: »Solidarität« vom 18. April 1914.

3. Bundestag der Arbeitersamariter

Arbeitersamariter treffen sich an Ostern

Arbeitersamariter leisten Hilfe nach einem Gasunfall. Rechteinhaber nicht ermittelbar.

Arbeitersamariter leisten Hilfe nach einem Gasunfall. Quelle: Archiv der sozialen Demokratie der Friedrich-Ebert-Stiftung.

Die Ostertage des Jahres 1914 nutzten einige Kulturbewegungen der Arbeiterschaft für ihre jährlichen Bundestreffen. Während sich der Arbeiterschwimmerbund zum 15. Bundestag in Hamburg traf, versammelten sich die Arbeitersamariter im Kultur- und Gewerkschaftshaus »Tivoli« in Erfurt. Der Vorsitzende Emil Stein legte einen erfreulichen Tätigkeitsbericht vor. Der 1909 als Zusammenschluss von Arbeitersamariter-Kolonen gegründete Arbeiter-Samariter-Bund zählte bereits 6.000 Mitglieder. Dennoch: Die Arbeiterkulturbewegung war 1914 noch lange nicht so breitenwirksam wie zur Zeit der Weimarer Republik. Gegen Ende der 1920er Jahre engagierten sich 43.000 Menschen im Arbeiter-Samariter-Bund.[1]

[1] Vgl. Franz Walter, Auf der Suche nach dem Neuen Menschen. Sozialismus als Solidargemeinschaft und Kulturbewegung, in: ders./Felix Butzlaff (Hrsg.), Mythen, Ikonen, Märtyrer. Sozialdemokratische Geschichten, Berlin 2013, S. 190–202.

Links zu den Quellen: Bericht über das Treffen der Arbeiterschwimmer in der »Volkswacht« für Schlesien, Posen und die Nachbargebiete vom 16. April 1914; Bericht zum 3. Bundestag der Arbeitersamariter in der »Volksstimme« (Magdeburg) vom 16. April 1914.

Lichtbildvorführung im Berliner Gewerkschaftshaus

Der Zentralbildungsausschuss der SPD fördert den Einsatz stehender Lichtbilder und plant Filmvorführungen

Mitteilung der »Volksstimme« (Magdeburg) vom 15. April 1914.

Mitteilung der »Volksstimme« (Magdeburg) vom 15. April 1914.

Zu Karfreitag, den 10. April 1914, hatte der Zentralbildungsausschuss der SPD in das Berliner Gewerkschaftshaus geladen, um die Möglichkeiten der Lichtbildvorführung für die Bildungsarbeit zu veranschaulichen. Den Besucherinnen und Besuchern wurde die Verwendung stehender Lichtbilder durch Projektion vorgeführt und der Plan erläutert, in Zukunft auch bewegte Bilder mithilfe von Kinematografen einzusetzen. Auf der Reichskonferenz des Ausschusses war die Einführung dieser noch neuen Technik beschlossen worden, die sich schon bald zum Massenmedium entwickeln sollte. Der Sekretär des Zentralbildungsausschusses Heinrich Schulz warb für die Verwendung der thematisch zusammengestellten Lichtbildserien, die über die eigens eingerichtete Lichtbildverleihanstalt bezogen werden konnten.[1]

Sekretär des Zentralbildungsausschusses und SPD-MdR Heinrich Schulz im Jahr 1912.

Sekretär des Zentralbildungsausschusses und SPD-MdR Heinrich Schulz im Jahr 1912. Quelle: Archiv der sozialen Demokratie der Friedrich-Ebert-Stiftung.

[1] Vgl. Franz Osterroth/Dieter Schuster, Chronik der deutschen Sozialdemokratie. Electronic ed., Bd. 1: Bis zum Ende des Ersten Weltkrieges, Bonn 2001.

Link zur Quelle: »Volksstimme« (Magdeburg) vom 15. April 1914.