Gedenken auf dem Friedhof der Märzgefallenen

Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten erinnern in Berlin an die Opfer des 18. März 1848

Illustration: »Angriff der Dragoner auf das unbewaffnete Volk vor dem königlichen Schloße zu Berlin, am 18. März« 1848. Rechteinhaber nicht ermittelbar.

Illustration: »Angriff der Dragoner auf das unbewaffnete Volk vor dem königlichen Schloße zu Berlin, am 18. März« 1848. Quelle: Archiv der sozialen Demokratie der Friedrich-Ebert-Stiftung.

Am 18. März 1848 hatte das preußische Militär eine Volksversammlung auf dem Berliner Schlossplatz mit Gewalt aufgelöst. Daraufhin war es in der Stadt zu heftigen Barrikadenkämpfen mit mehr als zweihundert Toten gekommen. Für die zivilen Opfer war im neuen Volkspark Friedrichshain eigens eine Grabstätte errichtet worden, die sich zu einem zentralen Erinnerungsort der Revolution von 1848/49 entwickelte.[1] Das Gedenken an die Märzgefallenen entwickelte sich speziell innerhalb der Sozialdemokratie zu einer festen Tradition. Die alljährliche Versammlung auf dem Ehrenfriedhof Friedrichshain war sowohl Demonstration für demokratische Grundrechte und soziale Gerechtigkeit als auch Protest gegen die Obrigkeit; so auch 1914. Die Gedenkfeier wurde zwar nicht untersagt, aber dennoch kritisch beäugt und von der Polizei scharf überwacht. Dabei achteten die Beamten auf einen geordneten Ablauf und zensierten jede gegen das Kaiserreich gerichtete politische Botschaft auf Plakaten oder Kranzschleifen. Nach einem Bericht des »Lübecker Volksboten« wurden am 18. März 1914 von 150 der über 350 Kränze die Spruchbänder durch die Ordnungsmacht abgetrennt.[2]

Polizisten überwachen die Kranzniederlegung für die Märzgefallenen auf dem Ehrenfriedhof Friedrichshain, um 1910. Rechteinhaber nicht ermittelbar.

Polizisten überwachen die Kranzniederlegung für die Märzgefallenen auf dem Ehrenfriedhof Friedrichshain, um 1910. Quelle: Archiv der sozialen Demokratie der Friedrich-Ebert-Stiftung.

[1] Vgl. zur Erinnerungskultur: Claudia Klemm, Erinnert – umstritten – gefeiert. Die Revolution von 1848/49 in der deutschen Gedenkkultur, Göttingen 2007, insb. S. 588ff.

[2] »Lübecker Volksbote« vom 20. März 1914.

Mehr zum Friedhof der Märzgefallenen: Erinnerungsorte der Sozialdemokratie.

Die Rote Woche geht zu Ende

Rekordhafter Abonnentenzuwachs durch erfolgreiche Agitation

Danksagung für die erfolgreiche Agitation in Lübeck im »Lübecker Volksboten« vom 17. März 1914.

Danksagung für die erfolgreiche Agitation in Lübeck im »Lübecker Volksboten« vom 17. März 1914.

Die breit angelegte Agitation vor und während der Roten Woche war ein voller Erfolg: Insgesamt konnten 148.109 neue Mitglieder gewonnen werden. Mit über einer Million Mitgliedern war die SPD mit Abstand die größte aller Parteien. Zudem war es der sozialdemokratischen Parteipresse gelungen, 83.784 neue Abonnenten zu werben. 1914 erschienen in Deutschland etwa 3.894 verschiedene Zeitungen mit einer Gesamtauflage von rund 18 Millionen Exemplaren.[1] Damit befand sich das Zeitungswesen in Deutschland auf einem ersten Höchststand an Auflagenstärke und Vielfalt, welcher lediglich in der Weimarer Zeit nochmals gesteigert wurde. Zum Vergleich: Im Jahr 2013 erreichten etwa 1.500 Zeitungstitel eine Gesamtauflage von gut 22,2 Millionen verkauften Exemplaren pro Erscheinungstag.[2]

[1] »Solidarität« vom 17. Januar 1914, S. 6.

[2] Anja Pasquay, Zur wirtschaftlichen Lage der Zeitungen in Deutschland 2013, Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger.

Link zur Quelle: »Lübecker Volksbote« vom 17. März 1914.

Quelle zur Roten Woche: Robert Schmidt, Ein Rückblick auf die Rote Woche, in: Sozialistische Monatshefte, 1914, H. 9, S. 531–533.

Erste Erfolge der Roten Woche

SPD wirbt um neue Mitglieder und Abonnenten

Aufruf zur Roten Woche in der »Volkswacht« für Schlesien, Posen und die Nachbargebiete vom 6. März 1914.

Aufruf zur Roten Woche in der »Volkswacht« für Schlesien, Posen und die Nachbargebiete vom 6. März 1914.

Aufruf zur Roten Woche im »Lübecker Volksboten« vom 8. März 1914.

Aufruf zur Roten Woche im »Lübecker Volksboten« vom 8. März 1914.

Nach dem gelungenen Auftakt des Internationalen Frauentags veranstaltete die Sozialdemokratie vom 8. bis zum 15. März 1914 ihre zweite Rote Woche. 1913 war die erste Rote Woche ausgerufen worden, welche der allgemeinen Agitation für die Parteiorganisation und die Parteipresse dienen sollte. Die Aktionen des Vorjahrs wurden nun nochmals verstärkt. Schon Wochen vorher wurde in sozialdemokratischen Zeitungen und auf Veranstaltungen für das Ereignis geworben. Jeder war aufgerufen, aktiv potenzielle neue Mitglieder und Abonnenten anzusprechen. Bereits am 11. März berichtete der »Lübecker Volksbote« von ersten Erfolgen: Innerhalb von drei Tagen konnten allein in Lübeck 553 neue Mitglieder aufgenommen werden.

Die »Zehn Gebote« für erfolgreiche Agitation. »Lübecker Volksbote« vom 11. März 1914.

Die »Zehn Gebote« für erfolgreiche Agitation. »Lübecker Volksbote« vom 11. März 1914.

Link zur Quelle: »Lübecker Volksbote« vom 11. März 1914.

Internationaler Frauentag 1914

Sozialdemokratinnen demonstrieren für das Frauenwahlrecht

Für gleiche Rechte bei gleichen Pflichten! SPD-Plakat zum Internationalen Frauentag am 8. März 1914. Quelle: Archiv der sozialen Demokratie der Friedrich-Ebert-Stiftung.

Für gleiche Rechte bei gleichen Pflichten! SPD-Plakat zum Internationalen Frauentag am 8. März 1914. Quelle: Archiv der sozialen Demokratie der Friedrich-Ebert-Stiftung.

1911 war der von der Zweiten Internationalen Sozialistischen Frauenkonferenz beschlossene Internationale Frauentag mit großem Erfolg zum ersten Mal begangen worden. Die Frauenrechtlerinnen zielten mit ihren Demonstrationen und Veranstaltungen nicht nur auf die Einführung des aktiven und passiven Wahlrechts für Frauen ab, sondern stellten auch arbeitsrechtliche und geschlechtsspezifische Forderungen: den Achtstundentag, Arbeiterinnenschutz, Mutterschutz und Säuglingsschutz. Zum Vierten Sozialdemokratischen Frauentag am 8. März 1914 gab die Mitinitiatorin Clara Zetkin eine 16-seitige Flugschrift heraus. Diese informierte über die Bewegung, deren Ziele und deren theoretische Grundlagen. Vorkämpfer sozialistischer und frauenrechtlicher Ideen, wie der 1478 geborene Thomas Morus oder der 1772 geborene Charles Fourier wurden vorgestellt und aktuelle Forderungen formuliert. Zudem wurde über die Entwicklungen in den Nachbarländern berichtet, was die Internationalität der Bewegung verdeutlichte. Das aktive und passive Wahlrecht für Frauen wurde durch Sozialdemokraten in der Revolution 1918 eingeführt.

Titelblatt der von Clara Zetkin verfassten Flugschrift zum Vierten Sozialdemokratischen Frauentag am 8. März 1914. Quelle: Archiv der sozialen Demokratie der Friedrich-Ebert-Stiftung.

Titelblatt der von Clara Zetkin verfassten Flugschrift zum Vierten Sozialdemokratischen Frauentag am 8. März 1914. Quelle: Archiv der sozialen Demokratie der Friedrich-Ebert-Stiftung.

Mehr zu den Internationalen Sozialistischen Frauenkonferenzen: Gerd Callesen, Die Internationalen Sozialistischen Frauenkonferenzen und Dokumente.

Quelle zum Frauentag: »Volksstimme« für Magdeburg vom 10. März 1914 mit Kurzberichten aus einzelnen Städten und dem Ausland.

»Gegen den staatlichen Gebärzwang«

Volksversammlung in Berlin beschließt Resolution gegen Gebärzwang

Die auf der Versammlung am 3. März 1914 angenommene Resolution gegen den Gebärzwang. Ergänzung zum Vortagesbericht der »Volkswacht« für Schlesien, Posen und die Nachbargebiete vom 6. März 1914.

Die auf der Versammlung am 3. März 1914 angenommene Resolution gegen den Gebärzwang. Ergänzung zum Vortagesbericht der »Volkswacht« für Schlesien, Posen und die Nachbargebiete vom 6. März 1914.

Im Zuge einer im November 1913 im Reichstag debattierten Beschränkung des ›Hausierhandels‹ mithilfe der Gewerbeordnung[1] war von den bürgerlichen Parteien auch ein Verbot des Handels mit empfängnisverhütenden und schwangerschaftsabbrechenden Mitteln vorgebracht worden. Die bei der abendlichen Volksversammlung am 3. März 1914 in Berlin vor 3.000 Teilnehmerinnen und Teilnehmern auftretenden Redner: August Brey, Raphael Silberstein und Luise Zietz ernteten lebhaften Beifall.

SPD-MdR August Brey betonte, dass der Geburtenrückgang durch soziale Reformen bekämpft werden müsse und nicht durch den Eingriff in die »persönlichen Verhältnisse« und die »polizeiliche Überwachung bis ins Schlafzimmer«. Raphael Silberstein, sozialdemokratischer Medizinalrat in Neukölln, warnte vor der »Gefahr der Volksverseuchung«, da die zu verbietenden Mittel schließlich auch Geschlechtskrankheiten verhinderten. Abschließend forderte Luise Zietz, Sekretärin für Frauenfragen im Parteivorstand der SPD, in Verbindung mit sozialen Reformen auch einen Mütter- und Säuglingsschutz, da dies die wirksamsten Mittel seien, dem Geburtenrückgang entgegenzutreten.

Luise Zietz war 1908 als erste Frau in den Reichsvorstand der SPD gewählt worden, hier um 1919.

Luise Zietz war 1908 als erste Frau in den Reichsvorstand der SPD gewählt worden, hier um 1919. Quelle: Archiv der sozialen Demokratie der Friedrich-Ebert-Stiftung.

Link zur Quelle: »Volkswacht« für Schlesien, Posen und die Nachbargebiete vom 5. März 1914.

[1] Vgl. hierzu: Entwurf eines Gesetzes betreffend Änderung der §§ 56, 56c der Gewerbeordnung. URL: <http://www.reichstagsprotokolle.de/Blatt_k13_bsb00003399_00102.html>.

»Einfluß der sozialen Lage auf den Alkoholismus«

Mediziner verdeutlichen den Zusammenhang von sozialem Elend und Alkoholismus1.3. Alkoholismus_Volkstümliche Zeitschrift_1_Sozialdemokratie1914

Bericht der »Volkstümlichen Zeitschrift für praktische Arbeiterversicherung« vom 1. März 1914.

Bericht der »Volkstümlichen Zeitschrift für praktische Arbeiterversicherung« vom 1. März 1914.

1909 hatte die SPD auf ihrem Leipziger Parteitag zum Boykott alkoholischer Getränke aufgerufen. Schon seit mehreren Jahren gab es in der Arbeiterbewegung eine Strömung, die durch den Verzicht auf Alkohol ihre Chancen im Klassenkampf stärken wollte. Bereits 1903 hatte sich der Deutsche Arbeiter-Abstinenten-Bund gegründet – mit dem Ziel, den Alkoholismus innerhalb der Arbeiterschaft und der Gesellschaft allgemein zu bekämpfen. Der Boykott war nicht nur gegen die Ausbreitung materiellen und geistigen Elends infolge von Alkoholgenuss gerichtet, sondern sollte auch Abgaben in Form von Branntweinsteuer an den Staat oder Tribute an die preußischen Großgrundbesitzer niedrig halten. Die Abstinenz war somit auch ein politisches Instrument. Dass Alkoholismus eine Folge sozialen Elends war und auch vor Schülerinnen und Schülern nicht Halt machte, vermittelte die »Volkstümliche Zeitschrift für praktische Arbeiterversicherung« vom 1. März 1914 – das Organ des Verbands der Bureauangestellten Deutschlands.

Der Kampf gegen den Alkoholismus wurde für längere Zeit ein Thema der Sozialdemokratie – hier eine Darstellung des Alkoholgehalts von Wein, Schnaps und Bier von 1920.

Der Kampf gegen den Alkoholismus wurde für längere Zeit ein Thema der Sozialdemokratie – hier eine Darstellung des Alkoholgehalts von Wein, Schnaps und Bier von 1920. Quelle: Archiv der sozialen Demokratie der Friedrich-Ebert-Stiftung.

Link zur Quelle: »Volkstümliche Zeitschrift für praktische Arbeiterversicherung« vom 1. März 1914.