Nationalismus versus Internationalismus

Diskussionen über die Bedeutung der Sozialistischen Internationale

Die innerparteilichen Kontroversen zwischen den Befürwortern der Kriegskredite und deren Gegnern waren zugunsten der ersteren entschieden worden. Trotz vereinzelt auftretender Kritik am eingeschlagenen Weg der Parteiführung schienen diese vorerst beigelegt zu sein. Währenddessen traten auch bei den Fürsprechern des Burgfriedens höchst unterschiedliche Ansichten zutage. Der Reichstagsabgeordnete und das Mitglied des SPD-Fraktionsvorstands Eduard David und der Herausgeber der »Sozialistischen Monatshefte« Joseph Bloch diskutierten am Nachmittag des 19. August 1914 über die Bedeutung der Sozialistischen Internationale und des Pazifismus. Auslöser war ein von Bloch am 13. August veröffentlichter Artikel mit dem Titel »Der Krieg und die Sozialdemokratie«, in dem er die Einheit des deutschen Volks durch den Krieg positiv hervorhob.[1] David kritisierte den von Bloch vertretenen Nationalismus. Am 19. August notierte er:

»Gespräch mit Bloch, der einen feinen Artikel über Nationalismus in den Monatsheften geschrieben hat. Er läuft aber Gefahr, die Bedeutung der Internationale dabei ganz zu verlieren. […] Des Pazifismus, meint er, schäme sich heute jeder Vernünftige. Wir hätten längst sollen für Rüstungsausgaben stimmen. Ich rücke die Kampflust, Kriegsbegeisterung usw. in das Licht biologischer Betrachtung. Erkenne ihre historische und gegenwärtige Macht an. Verweise ihn aber auch auf die biologische Bedeutung der Friedensinstinkte und -ideen und ihren wachsenden Einfluß. Sie waren noch nicht stark genug, diesen Krieg zu verhindern, werden aber gerade aus diesem Krieg neue große Kraft saugen. Dem Aufstieg zu höherer Zweckmäßigkeit in der wirtschaftlichen und politischen, nationalen und internationalen Organisation der Völker entspricht auch die Entwicklung der psychologischen Friedensmächte. Ihnen gehört trotz alledem die Zukunft.«[2]

[1] Joseph Bloch, Der Krieg und die Sozialdemokratie, in: Sozialistische Monatshefte, 13. August 1914, S. 1023–1027.
[2] Das Kriegstagebuch des Reichstagsabgeordneten Eduard David 1914 bis 1918, bearb. v. Susanne Miller (= Quellen zur Geschichte des Parlamentarismus und der politischen Parteien. Erste Reihe: Von der konstitutionellen Monarchie zur parlamentarischen Republik, hrsg. v. Werner Conze u. Erich Matthias, Bd. 4), Düsseldorf 1966, S. 18f.

Mehr zu Joseph Bloch und den »Sozialistischen Monatsheften«: Hubert Woltering, Die »Sozialistischen Monatshefte« (1895/96–1933).